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Die Szene

Über den Umfang der Gothic-Bewegung ist bisher wenig bekannt. Eine Marktstudie aus den späten 1990er Jahren geht, hinsichtlich der Szene in Deutschland, von etwa 60.000 Anhängern aus, obgleich diese Zahl als unrealistisch gilt, da sie neben der tatsächlichen Gothic-Kultur auch Teile der gesamten Schwarzen Szene und zahlreiche Sympathisanten mit einbezieht. [5] Auch ein Wachstum der Gothic-Szene innerhalb der letzten 10 Jahre, das um die Jahrtausendwende mehrmals prognostiziert wurde, wird hierbei szene-intern stark angezweifelt. Stattdessen wird seit Ende der 1990er Jahre eine sukzessive Rückbildung angenommen[6], die dem Niedergang der Gothic-Musik zugrunde liegt. [7] [8] [9]

Die Gothic-Szene gilt als ästhetisch orientierte Subkultur, deren Mitglieder als friedlich, aber auch als wirklichkeitsfremd, unnahbar oder elitär wahrgenommen werden.

Die Durchschnittsbevölkerung wird von Teilen der Gothic-Kultur negativ kritisiert, etwa als konservativ, konsumorientiert, intolerant, egoistisch und vom Gesetz der sozialen Bewährtheit geleitet. Aus der Ablehnung dieser Eigenschaften resultiert eine demonstrative Distanzierung zur Gesellschaft. Aus dem Versuch der Bewältigung der Zwänge, der emotionalen Kälte und der Vereinheitlichung des Individuums in der heutigen Gesellschaft, treten wiederum die Ideale des Individualismus und die zelebrierte Melancholie hervor.

Ein charakteristisches Lebensgefühl, das alle Angehörigen der Gothic-Szene miteinander teilen, gibt es nicht. So werden zwar philosophische, religiöse sowie politische Fragen unter Goths durchaus thematisiert, allerdings nicht einheitlich beantwortet.

Einige Goths bevorzugen – ihrer Rückzugsintention entsprechend – Orte der Stille, Einsamkeit und Besinnung auf, die häufig eine Atmosphäre von Tod, Trauer, Leid, Frieden und Vergänglichkeit ausstrahlen. [10] Dennoch ist die Gothic-Szene keine Trauerkultur. So gibt es etliche Goths, die sich primär an dunklen, mystischen oder okkulten Dingen erfreuen und versuchen, diese Seite ihrer Persönlichkeit auszuleben.

Die Akzeptanz des Todes als natürlichen Bestandteil des Lebens wird häufig nach außen getragen. Vereinzelt lässt sich jedoch ein Hang zur Existenzphilosophie erkennen, die neben dem Reinkarnationsgedanken auch die Erkenntis über die Vergänglichkeit und die damit assoziierte Sinnlosigkeit des Lebens impliziert, aus der sich wiederum negative Gemütszustände wie Gleichgültigkeit, Resignation oder Todessehnsucht entwickeln können. [11]

Eine gewisse Sehnsucht nach dem Mittelalter und seinen Mythen und Sagen ist bei einigen Szenemitgliedern anzutreffen. Dabei handelt es sich jedoch häufig um ein romantisiertes Bild des Mittelalters, das etliche Goths vor Augen haben und das oft eine Flucht vor der realen Welt ermöglichen soll. Doch auch andere Epochen, wie beispielsweise die Elisabethanische und Viktorianische Epoche, die Gründerzeit sowie das Fin de siècle, ziehen das Interesse der Gothic-Kultur auf sich.

Viele Goths pflegen ein starkes Traditionsbewusstsein und behalten ihren Lebensstil oder die damit verbundenen Vorlieben (u. a. für Musik und Kleidungsstil) weit bis ins Erwachsenenalter bei. Im Unterschied zu klassischen Jugendkulturen entsteht so ein altersübergreifender Dialog. Oft zieht die Entscheidung, sich der Gothic-Szene anzuschließen, viele private, schulische und berufliche Konflikte nach sich. In Einzelfällen kann diese Entscheidung die Bindung an die Eltern oder andere Familienangehörige komplett zerstören, z. B. dann, wenn das Familienleben schon vorher stark belastet und unharmonisch war. [12]

Religion

Goth im Grufti-Look, mit toupierten Haaren, Piercings, Rosenkranz und alchemistischem Symbol auf der Stirn

Goth im Grufti-Look, mit toupierten Haaren, Piercings, Rosenkranz und alchemistischem Symbol auf der Stirn

Die Zugehörigkeit einer Person zur Gothic-Kultur ist unabhängig von Glauben und Religionszugehörigkeit. Goths beschäftigen sich in Grundzügen mit dem Thema Religion und ziehen individuelle Schlüsse, weshalb auch hierbei eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist. Einige Teile der Szene lehnen die Institution Kirche, beispielsweise aufgrund ihrer Kritik an deren Verfehlungen im Laufe der Geschichte, allerdings völlig ab.

Bei manchen Goths herrscht eine Sehnsucht nach den Ursprüngen des Glaubens und dem Heidentum vor, das im Verlauf der Christianisierung gewaltsam zerstört wurde. Das drückt oftmals den Wunsch nach den eigenen Ursprüngen und Wurzeln aus. Es lässt sich darüber hinaus ein Interesse an okkulten oder neuheidnischen Inhalten feststellen. Damit einher geht eine Tendenz zum Synkretismus (auch „Patchwork-Religion“ genannt).

Obwohl sich etliche Anhänger der Gothic-Bewegung vom Satanismus distanzieren und ein völlig anderes Lebensgefühl auszudrücken versuchen, werden sie aufgrund ihrer äußeren Erscheinung oft mit diesem in Verbindung gebracht und von Außenstehenden belächelt oder gar als potentiell gefährlich eingestuft. Zwar gab es in der Grufti-Szene der 1980er mehrfach Szenemitglieder, die sich oberflächlich mit dem Thema Satanismus auseinandersetzten, den meisten Gruftis war Satan jedoch kein Anliegen. Ihr Outfit und ihre Eigenheiten entsprangen vielmehr einer morbiden Grundstimmung, die das einigende Element der frühen Grufti-Szene darstellte. [13]

Die gesellschaftlichen Vorurteile treffen allerdings die an sich uneinheitliche Gothic-Kultur in ihrer Gesamtheit. Sie mögen gerade bei jüngeren Personen, die in die Szene hineinwachsen, den Glauben verstärken, eine Ablehnung des christlichen Glaubens oder gar eine Hinwendung zum Satanismus sei Voraussetzung, um als Szeneangehöriger anerkannt zu werden. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Häufig wird mit okkulten Symbolen, z. B. dem vorchristlichen Pentagramm oder dem Petruskreuz, zum Zwecke der Provokation gespielt. Oft ist es jedoch die in der Szene verbreitete Faszination an der Mystik, die Goths zum Tragen okkulter Symbole bewegt.

Ein Teil der Szene ist christlich geprägt. Ein Beispiel hierfür liefert der jährlich zum Wave-Gotik-Treffen stattfindende Schwarze Gottesdienst in der Peterskirche.

Politik

Eine eindeutige politische Ausrichtung der Gothic-Szene ist nicht feststellbar. Allerdings sind konservative oder rechtsgerichtete Ideologien seltener anzutreffen. Einige Goths interessieren sich für linksalternative Politikansätze, andere wiederum vertreten gänzlich unpolitische Ansichten. Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit werden in der Gothic-Kultur jedoch weitgehend abgelehnt. Dieser Umstand machte sich unter anderem in den frühen 1990er Jahren bemerkbar. Zeitschriften wie das Bonner Szene-Magazin „Gothic Press“ wiesen 1992 auf die Gefahr des Rechtsextremismus hin und sprachen sich klar gegen rechtsextreme Gewalt aus. Gleichzeitig distanzierte sich jedoch ein Großteil der Szene von jeglichen politischen Ideologien und sah Aktionen gegen Rechtsradikalismus und Rassismus als selbstverständlich an.

Bevorzugte Musikformen

Die Gothic-Kultur entstand auf der Grundlage der frühen Gothic-Musik, des so genannten Gothic Punk, umgangssprachlich auch als Batcave bezeichnet. Daneben wurde eine Vielzahl weiterer Spielarten favorisiert, die sich – abgesehen vom Death Rock – primär im Dark-Wave-Umfeld entwickelten. Ab dem Ende der 1980er Jahre starben viele dieser Genres aus und wurden schrittweise durch szene-fremde Musikstile abgelöst, sodass die Gothic-Bewegung in ihrer gegenwärtigen Form − und bis auf wenige Nischenbands – über keine eigenständige Musikszene verfügt, sondern aus der musikalischen Bandbreite der gesamten Schwarzen Szene schöpft. Diese Eigenart unterscheidet sie von anderen Subkulturen wie der Punk-Szene oder der Metal-Kultur. Überdies gibt es zahlreiche retrospektiv ausgerichtete Goths, die sich auf das musikalische Output der 1980er und 1990er Jahre beschränken und von außen initiierten Trends eher kritisch gegenüberstehen.

Häufig präferierte Musikformen waren/sind:

Tanzstile

In der Gothic-Szene sind unterschiedliche Tanzformen präsent, die grundsätzlich solistisch ausgeführt werden. Paar- oder Gruppentänze sind dieser Kultur fremd.

Noch in der Entwicklungsphase der frühen Gothic-Szene war der Pogo als Tanzstil weit verbreitet. Dieser wurde direkt aus dem Punk-Umfeld übernommen und konnte mit dem Batcave-Revival nach der Jahrtausendwende erneut Bedeutung erlangen. Daneben war in den 1980ern bei den Gruftis der so genannte „Totengräber“ prävalent, spöttisch auch als „Nord-Süd-Kurs“ oder „Staubsaugertanz“ bezeichnet. Hierbei bewegt sich der Tänzer drei Schritte vor, beugt seinen Oberkörper – nach links oder rechts geneigt – nach unten und bewegt sich mit ebenso vielen Schritten zurück zum Ausgangspunkt. Mit der Umsetzung des Tanzes entsteht häufig der Eindruck, der Tänzer würde auf der Tanzfläche ein Grab schaufeln. [14] Beide Tanzformen, der Pogo wie auch der „Totengräbertanz“, werden ohne Rücksicht auf den Takt der Musik ausgeführt. Mitunter wurde bei besonders schwermütiger Musik eine Form von „Anti-Tanz“ dargeboten, die sich durch ein regungsloses Herumstehen auf der Tanzfläche, meist mit verschlossenen Augen, äußerte:

„Man tanzt halt nicht, sondern steht auf dieser Tanzfläche und lässt die Musik so richtig schön in sich hineinkriechen. [15]

In den 1990er Jahren kamen vermehrt rhythmusorientierte Tanzformen hinzu, deren theatralisch betonte Gesten teilweise an die indischer oder orientalischer Tempeltänzerinnen erinnern. [16]

Erscheinungsbilder

Ein zentrales Merkmal der Gothic-Kultur ist das Styling, das von vielen Anhängern als Ausdrucks- und Abgrenzungsform eingesetzt wird. [17] Goths, die ihre Lebenseinstellung durch ihr Erscheinungsbild auszudrücken versuchen, bevorzugen allgemein die Farbe Schwarz. Aber auch Blau, Weiß oder Bordeaux-Rot sind vorzufindende Haar- bzw. Kleiderfarben. In Anlehnung an die Wurzeln im Punk werden Strumpfhosen oder Netzhemden absichtlich mit Rissen oder Löchern versehen. Ebenso erinnern manche Frisuren an die Punk- und Wave-Kultur der 1980er Jahre.

Die Bekleidungsstrategie der frühen Gothic-Szene zeigte sich jedoch nicht wie bei den Punks als Ästhetisierung des Hässlichen oder bei den New Romantics als Revival des Glamourösen vergangener Zeiten, sondern als Inszenierung des Horrors. [18] Besonders bei den Gruftis galt es lange Zeit als modisch, die Vergänglichkeit des menschlichen Daseins gezielt durch ein totenähnliches Auftreten zu versinnbildlichen. Der romantische Aspekt, wie ihn die heutige Gothic-Generation kennt, spielte dabei zunächst nur eine nebensächliche Rolle.

Viele Goths grenzen sich allerdings auch bewusst vom Erscheinungsbild der Punk-Kultur ab. Elemente aus Kleidungsstilen der Renaissance sind ebenso präsent wie ein an das Viktorianische Zeitalter oder an den Jugendstil angelehntes Outfit. Dabei sind die jeweiligen Kleidungsstile jedoch nur selten in reiner Form anzutreffen. In der Regel handelt es sich um einzelne Kleidungskomponenten unterschiedlicher Epochen, die eklektisch miteinander kombiniert werden. [19] Gelegentlich werden neben dem damit verbundenen Kleideraufwand auch hohe Kosten in Kauf genommen, um sich beispielsweise ein stilechtes Rokoko-Kostüm schneidern zu lassen. [20] Einige dieser Kleidungsformen werden als Relikt der New-Romantic-Szene angesehen, andererseits gelten die Darsteller romantischer Vampirfilme als modische Vorbilder.

Markante Merkmale können sein

  • Blasse, meist geschminkte Gesichtsfarbe (Leichenblässe oder Viktorianische Ästhetik), häufig hervorgehoben durch dunkle Schminke an Augen und Mund

  • Bemalungen (Akzentuierung der Wangenknochen und insbesondere Ornamente um Augen und Mund), Piercings sowie Tätowierungen

  • Ungewöhnliche Frisuren wie „Tellerminen“ (kreisförmig ausrasierte Haare, meist in Form von „Krähennestern“ oder „Turmfrisuren“ gestylt), „Trauerweidenfrisuren“ (lange, auftoupierte Haare), Irokesenschnitt (ausrasierter Streifen vom vorderen Haaransatz bis in den Nacken), Undercut (zusätzlich Hinterkopf), teilweise sehr hoch toupiert, meist schwarz, seltener blau, rot und violet gefärbt oder blondiert. Seit den 1990er Jahren sind bei Frauen vermehrt Frisuren vergangener Epochen anzutreffen, vereinzelt auch überschulterlange Haare bei Männern.

  • Religiöse, okkulte oder esoterische Symbole als Schmuck (bspw. Rosenkränze, Ankh- und Petruskreuze), fast ausschließlich aus Silber

  • Armreifen en masse (Einfluss der Wave-Mode), Nieten, Sicherheitsnadeln, Schnallen und Glöckchen

  • Androgyn gekleidete Männer (und aufgrund der Verwurzelung im Wave auch androgyn gekleidete Frauen)

  • Lederhosen, Lederjacken (Gothic-Rock-Stil) und Netzhemden, teils zerrissene Kleidung (urtypischer Batcave- bzw. Death-Rock-Look)

  • „Aladinhosen“, Pikes, Dr. Martens oder Creepers (Grufti-Look)

  • Rüschenhemden, Talare, Dolmane (Husarenjacke) und Uniformjacken des 18. und 19. Jahrhunderts, Kleider aus Samt, Spitze und Chiffon (Schwarzromantik-Stil)

  • Fracks und schwarze Zylinder („Chapeau Claque“), oftmals mit dunkler Sonnenbrille als Accessoire (angelehnt an Bram Stoker’s Dracula)

  • Hennins und Hexenhüte (vor allem in den frühen 1990ern populär)

  • Korsetts und Corsagen bei Frauen (seit den 1990ern), häufig in Kombination mit weiten Reifröcken

  • Herrenröcke, Schnürstiefel (Rangers, Getta Grips, Commanders)

Diese Liste bietet nur eine grobe Übersicht über die Vielfalt der Stile, die in der Gothic-Szene verbreitet sind. Für eine genaue Stilbeschreibung gibt es zu viele Kleidungskombinationen, die auch das Sampling von Kleidungselementen szene-fremder Subkulturen, wie der Rivethead-Kultur oder der Elektro-Szene, mit einschließen. Zudem kann ein Goth auch infolge beruflicher Zwänge optisch nicht auf Anhieb der Gothic-Bewegung zugeordnet werden.

 
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